IHR BELIEBTES FOTO-MOTIV WIEDER

Die Quadriga auf dem Brandenburger Tor ist wieder komplett. Mit der Montage der aus Kupfer getriebenen Pferde wurden jetzt die 15monatigen Restaurierungsarbeiten beendet. Das Berliner Wahr­zeichen war bei der Silvesterfeier 1989 / 90 stark beschädigt worden. Damit präsentiert sich das Brandenburger Tor – Symbol einer Stadt, Symbol der Teilung und Symbol ihrer Überwindung – wieder komplett. Am 6. August dieses Jahres wird das 200. Jubiläum des Bauwerks gefeiert.

 

Symbol einer Stadt, Symbol der Teilung, Symbol ihrer Überwindung. 15 Monate lang pilgerten die Touristen aus allen Ecken der Welt wie eh und je brav zum Brandenburger Tor, um dort enttäuscht festzustellen, dass aus Meister-Foto nichts werden würde: die krönende Quadriga fehlte. Der steinerne Koloss der “porta pacis” wirkte unfertig, wenig eindrucksvoll.

Jetzt ist sie wieder an ihrem angestammten Platz, die stolze Viktoria, von der Heinrich Heine 1822 schrieb: “Die gute Frau hat auch ihre Schicksale gehabt; man sieht’s ihr nicht an, der mutigen Wagenlenkerin”. Den Blick nach Osten gerichtet, erhebt sie sich 4,30 Meter hoch aus dem Streitwagen, vor den auch wieder die vier Rösser gespannt sind. Am 6. August, wenn sich der Tag der Einweihung des Brandenburger Tores zum 200. Male jährt, wird auch die weltberühmte Quadriga Gottfried Schadows wieder komplett sein.

Wie stets, wenn es um das Portal und seine Krone geht, ranken sich wahre und weniger zutreffende Geschichten um die 1790 bis 1793 vom Potsdamer Kupferschmied Emanuel Jury geschaffene Skulptur. So war es nicht die “Schändung” der Quadriga durch Dutzende junger Menschen, die in der Silvesternacht 1989 – eine Woche nach der Öffnung der Mauer an dieser symbolträchtigen Stelle – das Brandenburger Tor erklettert und sich übermütig auf die Streitrösser der Viktoria geschwungen hatten, die zum vorübergehenden Abbau der ganzen Quadriga führte. Richtig ist, dass in dieser Nacht die Blätter aus dem Lorbeerkranz der Göttin abhanden kamen, die Zügel und die Peitsche gestohlen wurden und auch Viktorias Schädeldecke verschwand. All das hätte sich auch in 20 Metern Höhe auf dem Tor reparieren lassen.

Die 530 000 Mark teure Sanierung des Kunstwerkes wurde indessen erforderlich, weil das unsichtbare Stützkorsett der monu­men­talen Figurengruppe durchgerostet war. “Hätten wir das nicht entdeckt, wäre die Quadriga in den nächsten Jahren von allein abgestürzt”, – stellt ein Fachmann der Bundesanstalt für Materialprüfung nüchtern fest. Mit 300 Kilogramm rostfreiem Stahl wurde das Problem behoben. Mindestens für die nächsten 30 Jahre.

So können Manfred Stolpe und Eberhard Diepgen am 6. August die “solideste Quadriga” bewundern, die es je gab. Und bis dahin wird wohl auch das politische Sommertheater darum beendet sein, ob es zutiefst verwerflich oder vielmehr richtig war, der einst als Friedensgöttin in Auftrag gegebenen und 1814 zur Siegesgöttin mutierten Viktoria wieder Preuβen-Adler und Eisernes Kreuz in die Hand zu drücken. Diese Attribute waren der Skulptur hinzugefügt worden, als Marschall Blücher sie nach den Freiheitskriegen im Triumphzug aus Paris nach Berlin zurückbrachte. 1806 hatte Berlin-Besetzer Napoleon die Quadriga als Kriegsbeute nach Frankreich schaffen lassen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Göttin nur noch ein armseliger Schrotthaufen, durchsiebt von MG-Salven, bei denen keiner mehr weiß, von welcher Seite sie nun kamen. Das Blechgerippe wurde vom Magistrat respektlos aufs Pflaster des Pariser Platzes gekippt; vom Original blieb nur ein Pferdekopf, der ins Museum wanderte. So war das im Sowjet-Sektor stehende Tor erst mal nackt; der Kalte Krieg hatte wenig übrig für Denkmalpflege.

Schlieβlich restaurierten “Ossis” das Tor, “Wessis” Quadriga und Viktoria. Die Kopie mit Kreuz / Adler / Siegeskranz miβfiel den Ein­heitssozialisten jedoch. Vor der zweiten Heimkehr auf ihren luftigen Stammplatz entrissen sie ihr 1958 die Insignien: Auf dem Tor sei “kein Platz für Hakenkreuze, Eiserne Kreuze und für den Preuβenadler”, polterte die SED.

Die Attacken gegen die “Symbole des preuβischen Militarismus” fügen sich nahtlos ein in den Reigen jener Histörchen und Legenden, die sich um berühmte Bauten bekanntermaβen nun mal ranken. Dazu gehören auch falsche, aber hübsche Geschichten wie das unausrottbare Gerücht, der nach Osten rollende Wagen müsse eigentlich andersrum fahren. Doch Viktoria hatte schon 1793 den Westwind im Rücken: Sollte sie doch vom Tiergarten her in die damals 150 000 Einwohner groβe Stadt hineintraben, denn die endete von Osten gesehen am Brandenburger Tor. Ebenso falsch ist die Annahme, das Eiserne Kreuz stehe im Lorbeerkranz. Lorbeer hat die Göttin auf dem Kopf, am Kreuz steckt Eiche. Sie verschwanden im Museum.

Da möchte sie auch der CDU-Adgeordnete Friedbert Pflüger sehen, der die “Kriegstrophäen” als unzeitgemäβ beanstandet. Berlins stellvertretender Senatssprecher Eduard Heuβen kommentiert den Vorstoβ des Unionschristen mit einem Stoβgebet: ”Dem Himmel über Berlin sei Dank, dass Herrn Pflüger nicht auch noch eingefallen ist, die Siegesgöttin Viktoria in Sack und Asche zu kleiden.” Und Pflügers Parteifreund Wilfried Böhm springt den Berlinern mit dem Hinweis bei, man tue der preuβischen Geschichte Gewalt an, wenn man sie auf “brüllende Feldwebel und monokeltragende Junker” verkürze.

Der Viktoria wird’s gleich sein. Und gewiss auch den alljährlich nach Millionen zählenden Berlin-Pilgern, die sich am Fuβe des Tores zum un­vermeidlichen Erinnerungs­foto aufbauen, von dem nun auch wieder die geflü­gelte Friedens / Sieges-Göt­tin Eirene / Nike / Viktoria in die Objektive blickt. Ganz wie man es sich wünscht.

 








Дата добавления: 2015-06-17; просмотров: 792;


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