WALPURGISNACHT

Harzgebirg.

Gegend von Schierke und Elend

 

 

(Auszug)

 

MEPHISTOPHELES:

Mir ist es winterlich im Leibe;

Ich wünschte Schnee und Frost auf meiner Bahn.

Wie traurig steigt die unvollkommne Scheibe

Des roten Monds mit später Glut heran,

Und leuchtet schlecht, daß man bei jedem Schritte

Vor einen Baum, vor einen Felsen rennt!

Erlaub, daß ich ein Irrlicht bitte!

Dort seh ich eins, das eben lustig brennt.

Heda! mein Freund! Darf ich dich zu uns fodern?

Was willst du so vergebens lodern?

Sei doch so gut und leucht uns da hinauf! […]

 

IRRLICHT:

Ich merke wohl, Ihr seid der Herr vom Haus,

Und will mich gern nach Euch bequemen.

Allein bedenkt! der Berg ist heute zaubertoll,

Und wenn ein Irrlicht Euch die Wege weisen soll,

So müßt Ihr's so genau nicht nehmen.

 

FAUST, MEPHISTOPHELES, IRRLICHTim Wechselgesang:

In die Traum- und Zaubersphäre

Sind wir, scheint es, eingegangen.

Führ uns gut und mach dir Ehre!

Daß wir vorwärts bald gelangen,

In den weiten, öden Räumen.

 

Seh die Bäume hinter Bäumen,

Wie sie schnell vorüberrücken,

Und die Klippen, die sich bücken,

Und die langen Felsennasen,

Wie sie schnarchen, wie sie blasen!

Durch die Steine, durch den Rasen

Eilet Bach und Bächlein nieder.

Hör ich Rauschen? hör ich Lieder?

Hör ich holde Liebesklage,

Stimmen jener Himmelstage?

Was wir hoffen, was wir lieben!

Und das Echo, wie die Sage

Alter Zeiten, hallet wider.

 

„Uhu! Schuhu!“ tönt es näher,

Kauz und Kiebitz und der Häher,

Sind sie alle wach geblieben?

Sind das Molche durchs Gesträuche?

Lange Beine, dicke Bäuche!

Und die Wurzeln, wie die Schlangen,

Winden sich aus Fels und Sande,

Strecken wunderliche Bande,

Uns zu schrecken, uns zu fangen;

Aus belebten derben Masern

Strecken sie Polypenfasern

Nach dem Wandrer. Und die Mäuse,

Tausendfärbig, scharenweise,

Durch das Moos und durch die Heide!

Und die Funkenwürmer fliegen,

Mit gedrängten Schwärmezügen,

Zum verwirrenden Geleite.

Aber sag mir, ob wir stehen

Oder ob wir weitergehen?

Alles, alles scheint zu drehen,

Fels und Bäume, die Gesichter

Schneiden, und die irren Lichter,

Die sich mehren, die sich blähen. […]

 

FAUST:

Wie seltsam glimmert durch die Gründe

Ein morgenrötlich trüber Schein!

Und selbst bis in die tiefen Schlünde

Des Abgrunds wittert er hinein.

 

Da steigt ein Dampf, dort ziehen Schwaden,

Hier leuchtet Glut aus Dunst und Flor,

Dann schleicht sie wie ein zarter Faden,

Dann bricht sie wie ein Quell hervor.

Hier schlingt sie eine ganze Strecke,

Mit hundert Adern, sich durchs Tal,

Und hier in der gedrängten Ecke

Vereinzelt sie sich auf einmal.

Da sprühen Funken in der Nähe,

Wie ausgestreuter goldner Sand.

Doch schau! in ihrer ganzen Höhe

Entzündet sich die Felsenwand.

 

MEPHISTOPHELES:

[…]

Ein Nebel verdichtet die Nacht.

Höre, wie's durch die Wälder kracht!

Aufgescheucht fliegen die Eulen.

Hör, es splittern die Säulen

Ewig grüner Paläste.

Girren und Brechen der Äste!

Der Stämme mächtiges Dröhnen!

Der Wurzeln Knarren und Gähnen!

Im fürchterlich verworrenen Falle

Übereinander krachen sie alle,

Und durch die übertrümmerten Klüfte

Zischen und heulen die Lüfte.

Hörst du Stimmen in der Höhe?

In der Ferne, in der Nähe?

Ja, den ganzen Berg entlang

Strömt ein wütender Zaubergesang!

 

HEXEN IM CHOR:

Die Hexen zu dem Brocken ziehn,

Die Stoppel ist gelb, die Saat ist grün. […]

Da folgt der ganze Hexenhauf.

 

STIMME: Welchen Weg kommst du her?

STIMME: Übern Ilsenstein!

Da guckt ich der Eule ins Nest hinein.

Die macht' ein Paar Augen!

 

STIMME: O fahre zur Hölle!

Was reitst du so schnelle!

 

STIMME:

Mich hat sie geschunden;

Da sieh nur die Wunden!

 

HEXEN. CHOR:

Der Weg ist breit, der Weg ist lang,

Was ist das für ein toller Drang? […]

 

BEIDE CHÖRE:

Es schweigt der Wind, es flieht der Stern;

Der trübe Mond verbirgt sich gern.

Im Sausen sprüht das Zauberchor

Viel tausend Feuerfunken hervor.

 

STIMME von unten:

Halte! Halte!

 

STIMME von oben:

Wer ruft da aus der Felsenspalte?

 

STIMME unten:

Nehmt mich mit! Nehmt mich mit!

Ich steige schon dreihundert Jahr

Und kann den Gipfel nicht erreichen.

Ich wäre gern bei meinesgleichen.

 

BEIDE CHÖRE:

Es trägt der Besen, trägt der Stock,

Die Gabel trägt, es trägt der Bock;

Wer heute sich nicht heben kann.

Ist ewig ein verlorner Mann.

 

HALBHEXE unten:

Ich tripple nach, so lange Zeit;

Wie sind die andern schon so weit!

Ich hab zu Hause keine Ruh

Und komme hier doch nicht dazu.

 

CHOR DER HEXEN:

Die Salbe gibt den Hexen Mut,

Ein Lumpen ist zum Segel gut,

Ein gutes Schiff ist jeder Trog;

Der flieget nie, der heut nicht flog.

 

BEIDE CHÖRE:

Und wenn wir um den Gipfel ziehn,

So streichet an dem Boden hin.

Und deckt die Heide weit und breit

Mit eurem Schwarm der Hexenheit.

Sie lassen sich nieder.

 

MEPHISTOPHELES:

Das drängt und stößt, das ruscht und klappert!

Das zischt und quirlt, das zieht und plappert!

Das leuchtet, sprüht und stinkt und brennt!

Ein wahres Hexenelement!

Nur fest an mir! sonst sind wir gleich getrennt.

Wo bist du?

 

FAUST in der Ferne: Hier!

 

MEPHISTOPHELES: Was! dort schon hingerissen?

Da werd ich Hausrecht brauchen müssen. […]

Verflucht Geschnarr! Man muß sich dran gewöhnen.

Komm mit! Komm mit! Es kann nicht anders sein.

Ich tret heran und führe dich herein,

Und ich verbinde dich aufs neue.

Was sagst du, Freund? das ist kein kleiner Raum.

Da sieh nur hin! du siehst das Ende kaum.

Ein Hundert Feuer brennen in der Reihe;

Man tanzt, man schwatzt, man kocht, man trinkt, man

liebt;

Nun sage mir, wo es was Bessers gibt?

 

(Aus: Faust. Eine Tragödie. Erster Teil //

J. W. Goethe. FAUST-Dichtungen.

Stuttgart: Philipp Reclam jun.,

1992)


HEXEN UND TEUFEL SIND WIEDER LOS –








Дата добавления: 2015-06-17; просмотров: 665;


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